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POLYPROPYLEN (PP)

  • Autorenbild: Simon Korchmar
    Simon Korchmar
  • 30. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. Juli

Gerade in der Küche begegnet uns Polypropylen (PP) fast überall – von Babyflaschen bis hin zu mikrowellentauglichen Boxen. Bei Polypropylen (PP) handelt es sich um einen thermoplastischen Werkstoff, der aus polymerisiertem Propen hergestellt wird. Seine Vielseitigkeit macht ihn zu einem wichtigen Material in verschiedenen Branchen wie Verpackung, Textilproduktion, Automobilbau und Medizintechnik. Aber wie sieht es eigentlich mit der Sicherheit dieses Kunststoffs aus?


Vier Küchenprodukte aus Polypropylen (PP): eine transparente Aufbewahrungsbox mit schwarzem Deckel, eine Babyflasche mit Skala, eine hellblaue Frischhaltedose und ein weißes Sieb mit Griff – auf heller Arbeitsfläche vor Kachelwand.


GESUNDHEITSRISIKO DURCH POLYPROPYLEN: 3 von 5 (moderat)


  • Grundsätzlich sicher: PP gilt als einer der sichersten Kunststoffe, besonders für Lebensmittelkontakt.

  • Vorsicht bei Hitze: Starke Freisetzung von Mikroplastik bei hohen Temperaturen, vor allem aus Babyflaschen (bis zu 16,2 Mio. Partikel/Liter!). Neben Mikroplastik können bei Temperaturen über 80 °C auch chemische Zusatzstoffe aus dem Kunststoff migrieren

  • Keine akute Gefahr: Tierversuche zeigen erst bei extrem hohen Dosen gesundheitliche Schäden.

  • Vulnerable Gruppen: Besonders Säuglinge und Kleinkinder sind stark betroffen durch höhere relative Exposition.



TYPISCHE EINSATZGEBIETE


In der Küche:

  • Lebensmittelbehälter (z. B. Joghurtbecher, Aufbewahrungsboxen)

  • Mikrowellengeschirr (Teller, Schalen, Besteck)

  • Verpackungen (Snacktüten, Brotbeutel)

  • Babyprodukte (Flaschen, Trinkbecher, Schnuller)

  • Bauteile in Küchengeräten (Mixer, Wasserkocher, Kaffeemaschinen)


Im restlichen Haushalt:

  • Aufbewahrungsboxen für Kleidung, Spielzeug oder Werkzeuge

  • Hygienebehälter (z. B. Windeleimer, Kosmetikeimer)

  • Möbelteile, Klappkisten, Hocker

  • Schreibwaren, Kinderspielzeug, Bastelartikel

  • Textilfasern in Outdoor-Kleidung und Teppichen (als Polypropylenfaser))


Wie erkenne ich Polypropylen (PP) in Produkten?

  • Kennzeichnung: Meist mit dem Kürzel PP oder dem Recyclingcode 5 (♻️ „5 PP)



STUDIENLAGE - KURZ ERKLÄRT


Polypropylen wird regulatorisch als unbedenklich eingestuft, weil es chemisch stabil und inert ist. Allerdings zeigen neuere Studien eine alarmierende Mikroplastik-Freisetzung bei hohen Temperaturen, besonders bedenklich für Säuglinge, deren Mikroplastikaufnahme bis zu 300-mal höher liegt als bei Erwachsenen. Langzeitwirkungen sind noch nicht ausreichend erforscht.



WAS SAGEN DIE STUDIEN IM DETAIL?


1. Mikroplastik im menschlichen Körper


Mikroplastik – darunter auch Polypropylen (PP) – wurde bereits in Stuhlproben, Plazenta, Lungengewebe und menschlichem Blut (Leslie et al., 2022) nachgewiesen. Die Langzeitfolgen sind noch weitgehend ungeklärt, geben aber Anlass zur Vorsicht. Besonders Säuglinge und Kleinkinder sind betroffen, da ihre relative Aufnahme (pro kg Körpergewicht) bis zu 300-mal höher ist als bei Erwachsenen.



2. Tierstudien & Toxizität


Studien zeigen, dass erst bei sehr hohen Dosen gesundheitliche Schäden wie oxidativer Stress, Entzündungen und Veränderungen im Darmmilieu auftreten. Aber: Kleinere Partikel (<10 μm) sind deutlich toxischer, da sie Zellbarrieren leichter überwinden können.



3. Mechanismen der Schädigung


PP-Mikroplastik kann:

  • Entzündungsprozesse auslösen

  • oxidativen Stress verursachen

  • Zellmembranen schädigen

  • das Darmmikrobiom verändern


❗Neue Studien: Spülmaschine als Mikroplastikquelle

Eine aktuelle Studie der University of Queensland (2025) zeigt: Bereits ein Spülgang kann aus PP-Produkten bis zu 1,5 Millionen Mikroplastikpartikel freisetzen – besonders bei Hitze, Reibung und aggressiven Spülmitteln.



4. Risikogruppen im Fokus


  • Säuglinge & Kleinkinder: erhöhte Aufnahme, unreifes Immunsystem

  • Schwangere: mögliche Übertragung auf den Fötus

  • Empfindliche Personen: z. B. bei chronischen Erkrankungen



5. Regulatorische Einschätzungen & Grenzwerte


  • EFSA & FDA stufen Polypropylen als lebensmittelsicher ein

  • Voraussetzung: Keine übermäßige Hitzeeinwirkung

  • Grenzwert: 10 mg/dm² Migrationslimit für PP-Verbindungen im Lebensmittelkontakt



6. Kritische Temperaturschwellen


Ab 80–90 °C steigt die Freisetzung von Mikroplastik messbar an – z. B. beim:

  • Auskochen von Babyflaschen

  • Mikrowellengebrauch

  • Einschenken von kochenden Getränken



7. Einfluss von UV und Reinigungsmitteln


UV-Strahlung & aggressive Spülmittel beschleunigen die Alterung von Polypropylen → Oberfläche wird spröde → Mikroplastikfreisetzung steigt. Gilt v.a. bei häufiger Spülmaschinenreinigung oder Sonneneinstrahlung (z. B. bei Flaschen im Kinderwagen)



8. Migration von Zusatzstoffen bei Hitze


Polypropylen (PP) gilt als relativ stabil. Doch mehrere Fachstudien zeigen: Bei hoher Temperatur und wiederholtem Gebrauch können Additive wie UV-Stabilisatoren, Antioxidantien oder Rückstände aus der Produktion – zum Beispiel Irgafos 168 oder Irganox 1010 – in Lebensmittel übergehen. Besonders relevant sind:

  • J. Alin & M. Hakkarainen (2010): Durch Mikrowellenerwärmung zeigt sich eine deutlich erhöhte Migration dieser Additive in fetthaltige Lebensmittel­simulanzien, wobei der Effekt umso stärker ist, je weniger kristallin das PP-Material ist.

  • Lopes et al. (2019, JRC/Eu-Kommission): Vorgaben durch Vorerhitzung bei 75 °C führen zu veränderter Kristallinität von PP-Tassen, was die Freisetzung von sieben erlaubten Regulierungs-Additiven erhöht. Klare Hinweise darauf, dass Erwärmung die Migrations-Werte spürbar verändert.

  • Biedermann et al. (MDPI, 2020): Untersuchten POH (Polyolefin-Oligomere – nicht absichtlich zugesetzte Substanzen, NIAS) in Mikrowellengerichten; fanden bis zu 6,2 mg/kg POH-Migration, abhängig von Fettgehalt, Temperatur und Dauer der Anwendung.

  • Überblick zu Migration: Studien zeigen allgemein: Höhere Temperatur + längere Kontaktzeit + fettreiche Lebensmittel → deutlich steigende Migration von Additiven in PP-Verpackungen.


Regulatorisch gilt: Die Migration darf 10 mg/dm² nicht überschreiten – endet aber vorzeitig, wenn PP intensiver thermischer oder chemischer Belastung ausgesetzt wird (siehe Abschnitt „kritische Temperaturschwellen“).



9. Umwelt & Recycling


Polypropylen ist theoretisch gut recycelbar (Recyclingcode ♷ 5) – in der Praxis wird es aber nur begrenzt wiederverwertet. Gründe sind fehlende Sortierung, niedrige Recyclingquoten und wirtschaftlich wenig attraktive Verwertung. In vielen Haushalten landet PP deshalb trotz Recyclingsymbol im Restmüll oder in der Verbrennung.



EMPFEHLUNG FÜR DEN ALLTAG


  • Vermeide Hitzeeinwirkung auf PP-Produkte, insbesondere bei Babyflaschen und Aufbewahrungsboxen.

  • Nutze Glas oder Edelstahl für heiße Speisen und Getränke – besonders bei empfindlichen Gruppen wie Babys oder Schwangeren.

  • Tausche Babyprodukte wie Flaschen und Löffel regelmäßig aus, insbesondere bei sichtbarem Verschleiß.

  • Vermeide folgende Fehler im Alltag:

    • Babyflasche mit kochendem Wasser befüllen

    • PP-Behälter in der Mikrowelle ohne Abdeckung erhitzen

    • Spülmaschinenwäsche mit Tabs bei hoher Temperatur

    • Trinkflasche aus PP im Sommer in der Sonne stehen lassen

  • Vermeide langanhaltenden Kontakt mit fettigen, heißen Lebensmitteln in PP-Behältern – dadurch kann es zur Migration von Additiven wie Antioxidantien kommen.



Fazit


Polypropylen gilt als einer der sichereren Kunststoffe – vor allem bei kühler Verwendung. Doch Hitze, UV-Licht oder aggressive Reinigungsmittel können zur Freisetzung von Mikroplastik und Additiven führen. Besonders für Babys und Kleinkinder lohnt sich daher der Griff zu langlebigen Alternativen wie Glas oder Edelstahl. Wer PP nutzt, sollte bewusst damit umgehen – so lassen sich unnötige Risiken vermeiden.




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